Hort und Wehr

Die mittelalterliche Vergangenheit manch eines Berner Schlosses zeigt sich an der Existenz eines Hauptturms, der alle anderen Bauelemente überragt. Mit einer Mauerdicke von bis zu drei Metern und mehr, Scharten statt Fenstern und geschützten Zugängen machen sie nicht nur Eindruck, sondern dienen auch der Verteidigung und dem Schutz. Sie sind Hort und Wehr zugleich.

An vielen Orten wurden in solchen Türmen erst später Böden eingezogen und Räume eingerichtet – hier und da auch Fenster ausgebrochen. Andernorts wurden die Türme bereits früh auch zum Aufenthalt genutzt. Gefeiert wurde zum Beispiel im Thuner Donjon, der auf 14 Metern Höhe als einzigen Raum, den bis heute erhaltenen Rittersaal beherbergte. Auf Schloss Spiez wiederum, trägt der Turm klare Zeichen, dass in ihm auch gewohnt wurde.

Zum Beispiel: Der mittelalterliche Wohnturm zu Spiez

Der um 1245 erbaute Turm bildet den ältesten Teil der Spiezer Schlossanlage. In einem Zug gebaut, ist er mit seinen 30 Metern Höhe als Schutz- und Wehrturm konzipiert. Seinen Bewohnerinnen und Bewohnern bot er den im 13. und 14. Jahrhundert den zeitüblichen Komfort. Einzige Heizung war die Feuerstelle, welche auch als Küche diente. In Kesseln und Töpfen über und im Feuer wurden die Mahlzeiten zubereitet. Das Abwasser gelangte über den Abguss ins Freie; im Kamin entwich der beissende Rauch. Das Mobiliar war spärlich: Wandnischen dienten als Schränke, Truhen boten weiteren Stauraum, eine Tafel und Klappstühle reichten zum Essen und die Fensternischen wurden abends zu «Schlafzimmern», wo die Bediensteten auf Laubsäcken schliefen.

Der Wohnraum war von aussen über eine Holztreppe und eine Art Podest auf neun Meter Höhe erreichbar. Wurde die Burg bedroht, konnte die Treppe abgebrochen und das Eingangstor mit einem Balken von innen verriegelt werden. In einem solchen Fall hätte sich dann wohl auch die Familie von Strättligen in den Turm
zurückgezogen.

Zu den Spuren, die seine Bewohner:innen im Turm hinterlassen haben, gehören Ritzzeichnungen aus dem späten 13. Jahrhundert. Realistisch gezeichnete Turnierszenen illustrieren die dynastischen Verbindungen der Strättliger zu den Herren von Ringgenberg, von Weissenburg und Greyerz. Sie weisen damit deutlich auf die starke lokale Verwurzelung hin und bilden eine hervorragende ikonographische Quelle für die ritterliche Alltagskultur des Hochmittelalters.